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Review: The Abyss (1989)


The Abyss 1989
Originaltitel: The Abyss
Produktionsland: Vereinigte Staaten
Jahr: 1989
Regie: James Cameron
Buch: James Cameron
Kamera: Mikael Salomon
Musik: Alan Silvestri
Cast: Ed Harris, Mary Elizabeth Mastrantonio, Michael Biehn
Länge: 140 Min.
FSK: 12
Genre: Science-Fiction, Abenteuer

Bevor er die Titanic entzweigebrochen und im Atlantik versenkt hat, zog es James Cameron bereits 1989 auf den Grund des Meeres. Einnahmerekorde wurden mit The Abyss zwar nicht erzielt, geschichtsträchtig sind aber mindestens die Spezialeffekte und der wahnwitzige Aufwand der Unterwasser-Dreharbeiten.


Ende der 80er war düstere Science-Fiction mit Action- oder Horrorelementen keine Seltenheit und so klang es auch naheliegend, als das Studio dem Publikum „Alien unter Wasser“ versprach. Dass der Film mit dieser Beschreibung falsch etikettiert wurde, erklärt zumindest teils seinen geringen kommerziellen Erfolg. Zwar war er mit einem Einspielergebnis von 90 Mio. $ bei Produktionskosten von 70 Mio. $ profitabel, gemessen an den Erwartungen ist er damit seinerzeit aber – Achtung Wortwitz – untergegangen.

The Abyss

The Abyss setzt bereits in der ersten Sekunde die Stimmung, denn während des 20th Century Fox Logos erklingt nicht die bekannte Fanfare, sondern der kalte Klang eines Sonars. Wir finden uns im roten Alarm auf einem amerikanischen Atom-U-Boot wieder, das seine Energieversorgung verliert und daraufhin mit einer Felswand kollidiert. Da wir uns im kalten Krieg befinden, ist der Verlust von 192 Atomsprengköpfen im Ozean „sub“-optimal, sodass das Wrack schnell geborgen werden soll. Die Zeit ist knapp: da neben sowjetischen Schiffen ein Hurricane naht, wird zur just die Crew einer Bohrinsel angeheuert, die auf einer mobilen Unterwasserbasis, dem "Rig“, stationiert ist (ein erster Vorgriff auf Ölbohrerromantik, wie man sie später in „Armageddon“ wieder erleben wird). Befehlshaber Bud (Ed Harris) und seine Tiefseekumpel machen sich, in Begleitung einer Gruppe Navy SEALs und seiner Ex-Frau und Rig-Konstrukteurin Lindsey (Mary Elizabeth Mastrantonio, bekannt aus Scarface), auf den Weg. Auf der Bergungsmission macht die Crew eine mysteriöse Entdeckung und so kommt „Alien unter Wasser“ ins Spiel – oder eben nicht: Denn der eigentliche Antagonist, Lieutenant Coffey, stammt von der Erde, ist Navy SEAL und hat als Plan B eine Atombombe auf das Rig geschmuggelt.

Die Prämisse bietet ein starkes Potential voller Unwägbarkeiten und findet in einem erfrischenden Setting statt. Der Einsatz des Ölbohrer-Teams für ein Szenario am Rande des dritten Weltkrieges ist zwar ziemlich konstruiert, ermöglicht aber den spannenden (und für Cameron typischen) Konflikt zwischen Militär und einer Gruppe aus Arbeitern und Wissenschaftlern, die mit Moral und Vernunft gemeinsam agieren müssen.


Michael Biehn, Darsteller des Militärekels Lt. Coffey, sollte sogar als Oscar-Kandidat für den besten Nebendarsteller herhalten, wurde von der Academy allerdings abgelehnt. Aus heutiger Sicht nachvollziehbar, wirken der Charakter und seine Darstellung etwas klischeebehaftet und überzogen. Coffey kommt maximal psychopathisch daher, mit zittrigen Händen, hervortretenden Augäpfeln und selbst verletzendem Messereinsatz. Unterhaltsam ist seine Vorstellung aber allemal. Gefahr und Unberechenbarkeit der SEALs, die die Katastrophe heraufbeschwören, sind Teil der für Cameron typischen Militärkritik. Typisch leider auch, dass diese Kritik nicht durch subtile Feinheiten auffällt, es geht aber bei weitem nicht so plump zu wie beim Colonel in Avatar.


Der Blick auf den Schurken verdeutlicht, dass es nicht „Alien unter Wasser“ ist, wenngleich aber Aliens eine tragende Rolle spielen. Die fremdartigen Wasserbewohner sind gutartig und werden am Ende des Films zum großen Retter unserer Helden. Dabei lässt man den Spannungsaufbau traditionell angehen und offenbart dem Zuschauer geduldig Facette für Facette der Aliens, ohne zu viel auf einmal zu offenbaren. Der Spannungsbogen wird stetig weitergespannt. Die Begegnungen mit den Wesen stechen heraus, ihre fluoreszierende quallenartige Erscheinung strahlt eine Mischung aus Mystik und Erhabenheit aus. Die Intentionen der Aliens bleiben lange verborgen und werden nie vollständig gelüftet, was dem Mystery-Element des Films sehr gut tut.

The Abyss, Michael Biehn

Die größte Stärke von The Abyss ist der atmosphärische Schauwert. Die Unterwasserstation wurde - teils in Originalgröße, teils als Modell - unter gigantischem Aufwand hochgezogen. Cameron hat ein ruhendes Atomkraftwerk gemietet, den Reaktor geflutet und den größten Süßwasserpool der Welt geschaffen. Hier sieht vieles echt aus, weil es echt ist und erzeugt zeitlos gute Bilder. Die Innenaufnahmen erzeugen Klaustrophobie, man spürt die Stahlrohre wenige Zentimeter über seinem Kopf hängen. Auch über 30 Jahre später gibt es wenig Vergleichbares auf der Leinwand zu sehen (am vergleichbarsten ist vielleicht Underwater von 2020, wobei die Optik dort sehe videospielartig ist).

Unterstrichen wird der Look von einer detailreichen Geräuschkulisse: metallene Schritte, donnernde Türen, tropfende Decken und hallende, dumpfe Stimmen. Auch der Soundtrack trägt seinen Teil bei und erzeugt eine Stimmung zum Atem anhalten. Mit subtilen Streichern und langgezogenen Tönen wird der Abgrund des Ozeans untermalt. Melodien kommen sparsam zum Einsatz und verleihen den Aliens ihre Mystik, wirbelnde Trommeln unterlegen die Action.

Letztere führen uns auch zum Höhepunkt, dem Showdown mit Coffey. Beginnend mit einem Messer-Eins-gegen-Eins in der flutenden Station, kämpfen unsere Helden in Mini-U-Booten gegen den wahnsinnigen Soldaten. 80er-Action der ersten Güteklasse.


Neben der Bergungsmission spielt die gescheiterte Beziehung von Bud und Lindsey eine zentrale Rolle und wir begleiten die beiden in ihrem Wiederzueinanderfinden durch Höhen und Tiefen. Auch wenn romantische Anekdoten mit der Crew geteilt werden, die sich nahe am Kitsch bewegen, bekommt der Film sympathisch die Kurve. Der Gipfel der emotionalen Reise ist die Wiederbelebung der fast ertrunkenen Lindsey, in der wir Ed Harris am Limit erleben.

The Abyss Alien

Als ich geschrieben habe, dass die Spezialeffekte geschichtsträchtig sind, war eine ganz bestimmte Szene gemeint: zum ersten Mal bekommt ein Publikum computergeneriertes Wasser zu sehen. Wir bestaunen einen außerirdischen, tentakelartigen Arm aus Wasser, der dem Pool des Rigs entsteigt und sich seinen Weg durch die Gänge bahnt. Der Arm ahmt außerdem die Gesichter unserer Protagonisten nach, was auf echten Scans von Harris und Mastrantonio basiert. Im Jahre 1989 also außergewöhnliche Pionierarbeit. Die Szenen dazu wurden im Produktionsprozess zuerst gefilmt, um dem VFX-Team genug Zeit bis zum Release einzuräumen. Nichtsdestotrotz musste der Kinostart um einen Monat verschoben werden, so aufwändig waren die Arbeiten. Der Effekt wurde von Cameron für den T1000 in Terminator 2 zu einem zentralen Feature weiterentwickelt.


Das Ende der Handlung hat mich leider etwas ratlos zurückgelassen: Die Aliens retten Bud, sind aber mächtig stinkig wegen Coffeys Atombombe. Darum drohen sie der Menschheit mit gigantischen Flutwellen die Vernichtung an, ziehen die Drohung aber zurück, da sein finaler Akt der Liebe für Lindsey sie umstimmt. Die Kurve am Kitsch vorbei wurde an dieser Stelle ärgerlicherweise verpasst. Und auch wo die Militärkritik schon relativ plump daherkam, wurde jetzt der größte Holzhammer ausgepackt, der zu finden war. Darüber hinaus wirken die später eingefügten Szenen der Flutwellen visuell und dramaturgisch wie ein Fremdkörper im Film. Hier wird für zwei Minuten eine weitere Bedrohung aufgemacht, die nicht viel dazu addiert: Es wurden bereits Atombomben und U-Boot-Kämpfe überwunden, die Flutwellen wirken etwas ans Ende drangeflanscht. Und dank dem Beweis der wahren Liebe zweier Erdlinge eh alles halb so wild.

The Abyss, Rig

Fazit

The Abyss ist Spannungs- und Schauwertkino zum mitfiebern und staunen. Ein Film mit unverbrauchtem Setting, meist starken Darstellern und einer Atmosphäre, bei der man den Atem anhält. In den 90ern war The Abyss übliche PrimeTime-Kost auf Pro7. Die Mischung aus starken Namen und eines vermutlich fairen Ausstrahlungspreises machten ihn sicherlich attraktiv für die Sender. Mit dem Niedergang des linearen TVs als Filmplattform werden vermutlich immer weniger Menschen Berührungspunkte haben, nachholen sollte man den Film aber unbedingt. Denn nicht nur optisch ist The Abyss gut gealtert, er ist auch weiterhin ein eigenständiges und spannendes Erlebnis, zu dem es nur wenig vergleichbares gibt.


Bildrechte: © 20th Century Fox of Germany

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